Unterwegs mit „Highway-Charly‟
Pappas Toifl Fahrergeschichte Karl Palischek
Ein Unternehmen ist immer nur so gut wie seine Mitarbeiter. Karl Palischek mag seinen Job und fährt seit 17 Jahren Silozüge bei Toifl im Piestingtal; fünf Tage pro Woche ‒ und das stets voll Stolz.
Es ist noch früh am Morgen, als sich die ersten Bilder eines neuen Mercedes-Benz Actros in meiner Kamera einfinden. Ort des Geschehens ist die Firmenzentrale des auf Silotransporte spezialisierten Unternehmens Toifl. Die Sonne steht gut, die paar Pkw-Modelle stören das Bild kaum ‒ und doch konzentriert sich mein Blick immer wieder auf den Herrn, der rund um die Lkw-Waschanlage streicht und eine Kamera in der Hand hält. Er sieht dabei ein wenig aus wie man sich den Weihnachtsmann vorstellt der versucht, durch die Toifl-Firmenkleidung anonym zu bleiben.
Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass es sich um Karl Palischek handelt, den hier alle nur „Charly‟ nennen und der sich selbst gerne noch das „Highway‟ vor den Namen setzt ‒ damit ganz klar ist, womit er seine Brötchen verdient. Sitzt er nicht im Truck, so frönt er bei Auto-Crash-Events in ganz Österreich seinem liebsten Hobby, dem Anfertigen von Fotos. Das erklärt auch das hochwertige Nikon-Werkzeug in seinen Händen, das für einen großen Teil der rund 20.000 Lkw-Bilder auf seiner Homepage verantwortlich zeichnet. Halbe Sachen scheinen dem Charly nicht zu liegen, das macht auch sein eigentlich verbotener Händedruck klar. Welch Glück, dass das Desinfektionsmittel ebenfalls gleich zur Stelle ist, noch bevor er rauf zum Chef geht. Seine großen Schlapfen lässt Charly im Eingangsbereich so unauffällig stehen, dass ich nur mit Glück nicht darüber stolpere – keinesfalls will er den Dreck von draußen rein ins Büro bringen, auch wenn er dafür nur mit Socken unterwegs sein muss. Kurze Vorstellung beim Chef, dann kann es auch schon losgehen.
Eine kurze Runde ist geplant, ich dachte an eine Stunde oder so. Charlys kurze Runde sollte gut fünf Stunden dauern, vielleicht auch ein paar Minuten länger. Jede Menge Zeit also, um das Original mit Vorliebe für Mercedes-Benz-Trucks besser kennen zu lernen. Den Beifahrersitz erklommen stelle ich fest, dass Charly auch an Bord auf Sauberkeit steht – fast habe ich ein schlechtes Gewissen, meine Schuhe nicht auszuziehen. Glücklicherweise aber nur fast. Da auch ich auf Nikon als Basis für all meine Bilder setze, ist Charly so abgelenkt, dass ihm mein nicht besenreines Schuhwerk offensichtlich zu entgehen scheint.
Umringt von sieben Monitoren, macht sich Charly ans Fahren – nur ein paar Kilometer sind es bis zur Firma Wopfinger, wo wir einen speziellen Kalk laden sollen. Viel Fingerspitzengefühl ist nötig, um das höchst zulässige Gesamtgewicht auszureizen ‒ aber nicht zu überschreiten. Charly weiß genau was er tut, läuft ständig rund um den Truck und rollt am Ende mit 41.960 Kilogramm vom Hof. Das ist deutlich schwieriger zu schaffen als dies hier klingen mag, da Waage und Ladestelle nicht ident sind. Bei soviel Genauigkeit komme ich um die Frage, warum er denn auch im Sommer die Schneeketten dabei hat, nicht herum. Seine Antwort ist klar verständlich. Hat man sie nicht dabei, so braucht man sie – auf diese Weise hat er sich in den letzten drei Jahren stets erspart, Ketten anzulegen. Und das trotz der hier teils sehr winterlichen Fahrbedingungen.
Während Charly bei der Navigationseinheit auf eigenes Equipment setzt ‒ nicht statt, sondern natürlich zusätzlich zum serienmäßig installierten Monitor ‒ gilt sein ganzes Vertrauen dem werksseitig verbauten Tempomaten des Actros. Nur an zwei Stellen, die erst kürzlich hinsichtlich des Tempolimits angepasst wurden, greift Charly selbst ein, um den allerorts lauernden Exekutivorganen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Anstatt ein paar km/h zu viel, hat Charly lieber ein paar Stundenkilometer weniger am Tacho. Keine legale Abkürzung, die er nicht kennt, kein noch so kleiner Schleichweg, der im Verborgen bleibt, wenn es aus dem Piestingtal in die Nähe von Zwentendorf und wieder retour geht. Leer ‒ und damit nur noch 13 Tonnen schwer ‒ scheint die Kreativität der Routenwahl überhaupt keine Grenzen mehr zu haben. Ich kenne die Wegerln jedenfalls nur vom Enduro-Wandern und hätte hier nie mit einem Lkw gerechnet.
So konsequent wie er fährt, agiert Charly auch an der Entladestelle. Man weiß, dass die Sicherheitsbeauftragten viel Wert auf Helm und Warnweste legen, Charly hält sich durchgehend daran, nur für ein Foto wagt er es, den Helm beiseite zu legen. Dass Charly den 42-Tonner spielerischer durch die Werksanlage zirkelt als so mancher Kollege einen Stapler, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Es ist später Mittag, als wir wieder aufs Werksgelände rollen. Charly macht sich bereit für die nächste Runde. Ich weiß jetzt, warum Silofahrer immer einen Fuß am Schlauch haben (sie messen mit ihrer Sohle den Durchfluss), dass Autobahnen nur dann Sinn machen, wenn sie störungsfrei zum Ziel führen, und dass der stets aktive Spurassistent nur dreimal Alarm gab (übrigens jedes Mal völlig unbegründet); denn in der Spur zu bleiben gelingt Charly schon viel länger als es dieses Asset gibt.
Erst gegen Ende unseres gemeinsamen Arbeitstages erfahre ich, warum Charly immer den neuesten Stern fahren möchte. Er hat sein Berufsleben mit einer Lehre als Lkw-Mechaniker bei Pappas begonnen und seitdem fast ausschließlich Mercedes-Benz-Trucks gelenkt. Den Neuen fährt er seit Herbst und ist ‒ wenig überraschend ‒ begeistert. Mal sehen, ob Charly am Steuer dieses Modells auch in Pension gehen wird, dem Highway bleibt er auf alle Fälle noch lange treu.