Der Econic im Einsatz bei der FF Wiener Neudorf
Im Blaulicht-Einsatz - Verkehrsunfall
Donnerstagabend, A2 Südautobahn in Fahrtrichtung Wien. Bei der Abfahrt zur S1 fährt ein Pritschenwagen gegen einen Aufpralldämpfer, stürzt um und kommt seitlich zum Liegen. Eine Person ist im Fahrzeug eingeklemmt, die Bezirksalarmzentrale alarmiert die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neudorf zur Menschenrettung auf der Autobahn. Nun zählt jede Sekunde. Die allesamt ehrenamtlichen Mitglieder eilen ins Feuerwehrhaus, tauschen ihre Privatkleidung gegen ihre Uniform und besetzen die für den Einsatz benötigten Fahrzeuge. Die Motoren werden gestartet, die Blaulichter angeworfen. Schon wenige Minuten nach dem Notruf rücken insgesamt 29 Mann in Richtung Unfallstelle aus.
Feuerwehr-Kommandant Walter Wistermayer ist mit dabei. „Wir sind für einen insgesamt 25 Kilometer langen Abschnitt auf der Südautobahn, einen Teil der Südostautobahn und einen großen Teil des Autobahnknoten Vösendorf verantwortlich und werden rund 250 Mal jährlich zu Verkehrsunfällen und Fahrzeugbergerungen gerufen. Zur Routine werden solche Einsätze aber trotzdem nie.“ Meist sind seine Männer („glücklicherweise“, wie der oberste Feuerwehrmann erklärt) vor Ort nur mit Blechschäden konfrontiert, immer wieder müssen sie aber auch Personen retten, Verletzte aus ihren Fahrzeugen befreien und in seltenen Fällen auch Tote bergen. „Damit gleicht kein Einsatz dem anderen und wir haben es immer wieder auch mit extrem herausfordernden Situationen zu tun“, sagt Wistermayer. „Oft sind wir Feuerwehrler überhaupt als Erste vor Ort. Dann gilt es die Unfallstelle abzusichern, Verletzte zu versorgen, den Verkehr zu regeln und die anderen Einsatzkräfte einzuweisen und zu unterstützen“
Um für diese Art von Einsätzen bestens gerüstet zu sein, hat die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neudorf im Herbst 2020 als Ersatz für einen 18 Jahre alten Mercedes-Benz Atego 1323L ein neues Abschleppfahrzeug (kurz ASP) auf Basis eines Mercedes-Benz Econic 2635 in Betrieb genommen. Der Dreiachser mit seiner mitlenkenden dritten Nachlaufachse und einem Spezialaufbau der Firma Eberl wird von einem Sechszylinder-Dieselmotor mit einer Leistung von 354 PS (260 kW) angetrieben und ist mit seinem funkferngesteuerten Berge-Plateau und seiner Abschlepp-Hubbrille am Heck fixer Bestandteil des „Technischen Zugs“, der gerade auf dem Weg zur Unfallstelle ist. Dieser besteht aus einem Vorausfahrzeug, dem schweren Rüstfahrzeug und nun dem neuen ASP. In den großen Ausziehladen der neun Geräteräume des Econic befinden sich Spezialwerkzeuge und Ausrüstungsgegenstände wie Anschlagmittel, Gleitkeile, Rangierroller, Ölbindemittel und Wagenheber. Zur Bergeausrüstung gehören außerdem eine Drucklufthaspel sowie spezielle Haltebaken für einspurige Kraftfahrzeuge (Motorrad, Moped) am Aufbau. Das vollkommen abgedichtete Plateau ermöglicht das Auffangen ausfließender Betriebsmittel, die dann später mit einem separaten Ablassventil gesammelt und entsorgt werden können.
Der Feuerwehrkommandant ist vom neuen Star in seinem Fuhrpark begeistert: „Das Fahrzeug spielt alle Stückl, bietet aufgrund seiner großen Panoramaverglasung eine perfekte Aussicht und ist genau auf unsere Einsatzerfordernisse abgestimmt“, sagt er. Eine wichtige Rolle bei der Beschaffung hat der Ladekran mit 19,5 m/t Hubmoment aus dem Hause Palfinger gespielt. Bei dem T-Spezialmodell (PK19500T-EH High Performance) handelt es sich um den größten Kran seiner Baureihe. „Das alte Abschleppfahrzeug kam bei den immer schwereren Unfallfahrzeugen in Punkto Hubkraft und Überhang und mit seinem kurzen Berge-Plateau immer öfter an seine Grenzen“, sagt Wistermayer, der auch auf viele nutzerfreundliche Detaillösungen verweist. Die handliche Funkfernsteuerung des Krans ermöglicht beispielsweise während des Einsatzes einen optimalen Einblick auf das Plateau und den gesamten Ladebereich, und der seitlich angeordnete Ausschubzylinder garantiert eine geringe Gesamthöhe des Fahrzeuges bei gestrecktem Hauptarm. „In Kombination mit der niedrigen Bauhöhe des Econic und der komplett durchgehenden Luftfederung können wir nun auch mit aufgeladenen Transportern und hohen SUV unter den Überkopfwegweisern auf der Autobahn durchfahren – das war mit dem alten Fahrzeug nicht immer möglich.“
Hauptentscheidend für den Kauf des Econic sind laut dem Feuerwehr-Kommandant aber zwei andere Gründe gewesen: „Die große Fahrzeugkabine, die bis zu vier Mann Besatzung Platz bietet und die Falttür auf der Beifahrerseite.“ Eine Falttür als Kaufkriterium? Walter Wistermayer lächelt: „Das Autobahnteilstück, für das wir zuständig sind, verläuft von Nord nach Süd, der Wind bläst aber meist von West nach Ost. Da wir mit dem Fahrzeug größtenteils in Fahrtrichtung halten, hatten wir früher oft das Problem, dass kräftige Windböen direkt durch das Fahrzeug geblasen haben, wenn Fahrer und Beifahrer gleichzeitig ausgestiegen sind. Dadurch herrschte dann im Fahrzeug Unordnung. Viel schlimmer aber war, dass dadurch auch Sachschäden entstanden oder noch schlimmer Einsatzkräfte durch vom Wind zugeknallte Türen verletzt wurden.“
Dieses Problem gehört der Vergangenheit ein, wie der Einsatz des Feuerwehr-Trupps bei der S1-Abfahrt auf der Südautobahn zeigt: Die ersten Feuerwehr-Autos haben den Einsatzort erreicht und wenige Meter neben dem umgekippten Unfallfahrzeug gehalten. Die vierköpfige Besatzung des Econic verlässt das Fahrzeug über die Falttür auf der Beifahrerseite, die andere Tür bleibt geschlossen. Rettungsdienst und Notarzt konnten die im Unfallauto eingeklemmte Person bereits befreien, Aufgabe der Feuerwehr-Männer ist es nun die bislang nur notdürftig abgesicherte Unfallstelle besser abzusichern und den havarierten Transporter zu entfernen. Hauruck! Die Männer packen gemeinsam an und kippen das Fahrzeug auf seine Räder. Mithilfe einer der beiden Seilwinden (die über eine Zugkraft von dreieinhalb beziehungsweise sechs Tonnen verfügen) ziehen sie ihn anschließend auf das Bergeplateau. Während hinter ihm Männer die Unfallstelle reinigen, zeigt sich der Feuerwehrkommandant zufrieden mit dem Einsatz: „Vor Ort hat sich die Situation glimpflicher dargestellt, als anfangs vermutet“, sagt Walter Wistermayer. Nachsatz: „Auch dank unserem neuen Econic konnten wir den Pritschenwagen rasch bergen und abtransportieren und die Strecke innerhalb kürzester Zeit wieder für den Verkehr freigeben.“